Heike Bogenberger im Gespräch mit Oliver Wenzlaff. Das Gespräch fand Ende 2018 in München statt. Teile des Interviews flossen in einen Artikel, den das Autorenmagazin „Federwelt“ im Juni 2020 veröffentlicht hat.

Frau Bogenberger, wie groß ist die Szene für Autorenfotografie bei uns?
In Deutschland, so würde ich meinen, gibt es etwa 15 oder etwas mehr Fotografen, die sich auf Portraits von Autoren spezialisiert haben. Ich selbst habe 2008 meine ersten Schritte als Autorenfotografin unternommen und das Ganze seit 2014 deutlich intensiviert, so lange gibt es auch meine Website. Menschen, Gesichter und Geschichten haben mich seit jeher interessiert, so hat sich das mit der Zeit wie von selbst gefügt. Natürlich gilt meine Leidenschaft neben der Photographie auch der Literatur. 

Zum Beispiel?
Zur Zeit lese ich gerne Klassiker und Abenteuerromane, von Wolfsblut bis Moby Dick. Auch Gedichte mag ich sehr. Überhaupt hab ich eine ziemliche Schwäche für Worte und Sprachspielereien.

Sind es eher die Verlage oder die Autoren, von denen Sie beauftragt werden? 
Meine Portraits entstehen häufig auf Eigeninitiative. Wenn Autoren in München lesen oder ich in einer anderen Stadt bin, bitte ich gern um einen Termin. Nicht selten gehe ich mit meiner fotografischen Arbeit in Vorleistung. Die freigegebenen Portraits landen dann in meinem Onlinearchiv, wo sie für die verschiedensten Verwendungen zur Verfügung stehen, von Verlagen oder Zeitungen bestellt werden können. Im schönsten, zum Glück gar nicht so seltenen Fall mögen die Autoren meine Bilder so sehr, dass sie diese ihrem Verlag ans Herz legen und ich dafür bezahlt werde. Momentan umfasst mein Archiv um die 140 Literaten, darunter auch ein paar unveröffentlichte Schriftsteller.

Und wenn es doch der Verlag ist, vom dem der Auftrag ausgeht – wie oft gibt es da Einschränkungen?
Bei meinen Portraits habe ich zum Glück fast immer freie Hand, die Verlage machen mir selten konkrete Vorgaben. Ein Auftraggeber weiß ja meist, dass ich eher für Natürlichkeit stehe als für große Inszenierungen. Natürlich gibt es ganz toll inszenierte Bilder, ich lehne das an sich gar nicht ab. Selbst künstlich erscheinende Posen können in ihrem jeweiligen Kontext wunderbar funktionieren, oder ganz gezielt mit einem gewissen Augenzwinkern zitiert werden. An sich kann ich vielen unterschiedlichen Herangehensweisen etwas abgewinnen – meine persönliche ist halt eine andere. 

Gibt es in der Autorenfotografie gegenwärtig einen Trend in Richtung Inszenierung oder Natürlichkeit? 
Ich finde es reizvoll, dass jeder Fotograf seine eigene Bildsprache hat, seine höchst persönliche Sicht auf die Welt und die Menschen. Wenn fünf Fotografen ein und denselben Menschen portraitieren, kommen gewiss fünfmal ganz unterschiedliche Bilder dabei heraus. So ist jede Fotografie, jedes Portrait, quasi ein bisschen auch Selbstportrait. Analog oder digital, Farbe oder Schwarzweiß, natürliches oder künstliches Licht, inszeniert oder nicht, all diese Entscheidungen des Fotografen tragen am Ende auch zum Charakter eines Bildes bei. Auch der Chemie zwischen Autor und Fotograf kommt eine entscheidende Bedeutung zu. 

Das klingt sehr intim…
Jede Begegnung ist anders und ein kleines Abenteuer für mich. Ich gehe gern möglichst unvoreingenommen und offen in diese Begegnungen hinein, ohne festes Konzept im Kopf. Meine Bilder entstehen intuitiv, ich lasse mich von der Situation leiten, schaue und höre genau hin. Was meinen Bildern immer gut tut, ist Zeit. 

Wie viel Zeit genau?
Eine Stunde ist für mich ideal, um etwas Vertrauen entstehen zu lassen, um sich einander zu öffnen. Die Kamera ist für mich wie ein Schlüssel, zu mir selbst wie zum anderen. Ich gehe gern spazieren mit den Autoren, wir unterhalten uns, bleiben hie und da stehen und machen Bilder. Natürlich kann man den anderen binnen einer Stunde nicht kennenlernen, aber man kann sich einlassen und versuchen, ein Gespür für diesen Menschen zu entwickeln. Das klappt freilich nicht immer, umgekehrt können auch mal binnen zehn Minuten die tollsten Bilder entstehen. 

Wann konkret ist ein Bild denn toll? 
Für mich ist ein Bild gelungen, wenn es mich als Betrachter berührt, etwas auslöst in mir, wenn es sich nicht im einmaligen Betrachten erschöpft, sondern nachhallt, im besten Sinne zeitlos ist. Ich mag es, wenn der Mensch auf dem Bild mir nahe kommt, etwa durch einen intensiven, unverstellten Blick, oder einen intimen Moment der Selbstvergessenheit, einen Blick nach innen. Was einen an einem Bild fesselt, kann ja ganz unterschiedlich sein, eine ungewöhnliche Perspektive, ein spannender Ausschnitt, eine geheimnisvolle Unschärfe, ein bewusst eingesetzter Regelbruch. Ein Bild muss für mich in keiner Weise perfekt sein, allzu glatte Bilder langweilen mich. Beim Fotografieren richte ich mich nach dem, was mir gefällt und was in der Begegnung mit der jeweils anderen Person möglich ist. Ich mag es, Gesichter anzuschneiden. Fotografiere auch mal gegen das Licht. Oder stelle bewusst nur den Hintergrund scharf. 

Auf Ihren Fotos wird immer wieder geraucht – auch ein Regelbruch?
Früher haben sich Autoren auf Fotos häufig mit Zigarette gezeigt. Heute kommen Raucherbilder im Literaturbetrieb ja kaum mehr zum Einsatz. Zwar rauche ich selber nicht, doch habe ich Rauch schon immer gemocht, die flüchtigen Formen, die er hervorbringt, ja selbst den Geruch. Wenn die Person, die ich fotografiere, in den Pausen raucht, wenn das zu dieser Person gehört, dann fange ich das auch ein. Ob die Bilder Verwendung finden oder nicht, darüber entscheiden dann andere. In einer Ausstellung zeige ich das Bild durchaus, wenn es mir als Bild gefällt. 

Ein Verlag wird diese Bilder in der Regel also nicht brauchen können… 
Vielleicht aber finden genau diese Bilder Eingang in eine Ausstellung oder ein Photobuch. Auch Schwarzweiß ist bei Verlagen heute leider selten gefragt. Trotzdem entsteht die Hälfte meiner Portraits nach wie vor in Schwarzweiß, ich mag das Reduzierte, Expressive der Schwarzweiß-Photographie. Ich bin schon ein Purist, auch in der Bearbeitung nachher, ich verändere an den Bildern so wenig wie nur möglich. 

Inwiefern bauen Sie den jeweiligen Ort in die Komposition mit ein?
Der Ort spielt in meinen Bildern eine eher untergeordnete Rolle. Meist konzentriere ich mich stark auf das Gesicht, der Hintergrund sollte bestenfalls atmosphärisch sein, er darf ruhig Bewegung haben, sollte aber nicht zu sehr ablenken, muss nicht erkennbar sein. 

Aber die Orte bleiben dennoch wichtig?
Wenn wir in der Stadt fotografieren, wo die Person zuhause ist, lasse ich sie einen Ort wählen, den sie mag, der ihr etwas bedeutet – von dort spazieren wir dann los. Sehr selten, aber toll ist es, die Leute zuhause zu fotografieren, in ihrem persönlichen Umfeld, dort sind sie oft deutlich gelöster. Eines meiner schönsten lachenden Portraits ist in einer Küche entstanden – ein natürliches Lachen einzufangen ist ein seltenes Glück, auf Kommando ist so etwas gar nicht möglich. Mir ist wichtig, dass sich der Mensch vor meiner Kamera wohl fühlt. Deshalb empfehle ich, sich zum Fototermin nicht anders zu kleiden oder zu schminken wie sonst auch.

Gelöst und natürlich – sind Autoren vor der Kamera sonst eher schwierig?
Autoren werden auch nicht lieber oder weniger gern fotografiert als andere Menschen auch. Wenn ein Autor gewohnt ist, sich selbst zu inszenieren, kann das durchaus spannend sein und eine eigene Dynamik entstehen lassen. Bringt jemand schon allzu konkrete Vorstellungen mit, schränkt dies aber auch meinen Gestaltungsspielraum ein.

Sie sagen: Es könnte gut sein, dass Sie die letzten Autorenfotografin in Deutschland sind, die noch analog fotografiert…
Ich arbeite am liebsten und beinahe ausschließlich analog. Meist reduziere ich mich auf 72 Bilder, das entspricht zwei Filmen, einer in Farbe und einer Schwarzweiß. Für mich ist die analoge Fotografie eine sinnliche und entschleunigte Art des Fotografierens. Ich mag den Klang meiner Kamera, das manuelle Scharfstellen, die Körnung des Films, all das entspricht mir, und passt in meinen Augen auch gut zur Literatur. Abgesehen davon empfinde ich es als angenehm, mich nicht ständig mit einem Blick auf das Display kontrollieren zu können. Stattdessen freue ich mich jedes Mal aufs Neue auf die Bilder. Das Warten, die Vorfreude, die Überraschung, das alles gehört doch mit zum Zauber der Photographie.

Vielen Dank!

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